Kollektive Autorenschaft
Eindrücke vom Diskussionsforum “Denkraum” der dg:möglichmacher im Rahmen der Autorenlounge
DramaturgInnen und AutorInnen sitzen zusammen zum
Gedanken- und Erfahrungsaustausch über Formen kollektiver Textarbeit.
Bestandsaufnahme und Formulierung struktureller Bedingungen stehen dabei im
Fokus. Zwei Runden Tischgespräche, zwei Abschlussdiskussionen im großen Kreis.
Kaffee, Zigaretten, Wasser, Flipchart, Stift, Papier und Worte.
Schon zu Beginn scheint klar, dass es nicht um
eine klare, erschöpfende und systematische Diskussion gehen kann. Allein schon
deshalb, weil ein grundlegender Text zur gegenseitigen Verständigung fehle, wie
Christoph Macha von den dg:Möglichmachern zu Beginn erklärt, außer Pollesch,
vielleicht (ein Autor, hinter dem sich mehr oder weniger ein Kollektiv versteckt).
So geht es auch immer wieder ganz grundsätzlich
darum, was kollektive Arbeitsformen im Theater seien und mit welchem Ziel sie
überhaupt angestrebt würden (wessen Ziel, eines Einzelnen oder eines
Kollektivs? Wo hört das Mitdenken auf, wo fängt es an?). Oft gehe es um eine
größere Einbindung und damit mehr Engagement der einzelnen Beteiligten im Produktionsprozess
("Ist Nicht-Identifizierung heutzutage nicht manchmal
wünschenswerter?"), aber auch um Erweiterung der Perspektiven, besonders
in von Dramaturgenseite aus geforderten, stadtraumbezogenen Projekten
(überhaupt ist viel von Stadttheater und wenig von Text die
Rede). Andererseits bestehe jedoch auch die Gefahr der mangelnden künstlerischen
Expertise (Heiner Müllers "Konsensmilch" macht den Kaffee leichter
bekömmlich).
Der Autor Johannes Schrettle kritisiert den Begriff Kollektiv, da
man sich hiermit in eine gefährliche Grauzone zwischen theater- bzw.
schauspieltechnischem Vokabular und politisch zu hinterfragenden Machtbegriffen
begebe, denen man in einem blinden Begriff von Kollektivität selbst wieder
erliegt (Grundsätzliches scheint aber schwieriger auszudiskutieren in der
großen Gruppe.)
So werden einzelne Modelle und Gruppen besprochen
(HAU, Schaubühne, Goebbels' Forderung nach einem Künstlerhaus, Schlingensief,
das Schreibkollektiv Berlinki und ihr Stück "15.15" etc. etc.) und
nach generellen strukturellen Erfordernissen gefragt. Solle man etwa Kollektiven
einen eigenen Freiraum im Stadttheater geben (Stichwort: Artist in Residence)? Wie früh müssten SchauspielerInnen und Gewerke in den Entscheidungs- und
Produktionsprozess eingebunden werden (eine Gruppe entwirft dazu ein
grundsätzliches, groß angelegtes Kommunikationsmodell, mit Freiraum zum
Scheitern und Nicht-Bereitschaft)? Gibt es überhaupt so etwas wie allgemeine
Regeln oder sei nicht jedes Haus und jede Struktur abhängig von den Leuten, die
darin arbeiten und wie, "mit welcher Sehnsucht", diese arbeiten
wollen, wie die Autorin Ivna Zic es formuliert.
Für mich bleibt daher am Ende, nach einer Vielzahl
von anregenden, teils heftig geführten Diskussionen mit unterschiedlichsten
Standpunkten, die grundlegende Frage unbeantwortet, warum man die strukturellen
Bedingungen des Theaterbetriebs versucht neu zu denken, welcher künstlerische
oder (ernsthafte) gesellschaftspolitische Wille hinter kollektiven bzw.
arbeitsteiligen Formen des Schreibens steht, die tatsächlich ein
grundsätzliches Umdenken nötig macht.
Wir werden sehen, ob in Zukunft hierzu mehr zu lesen
und weiter zu diskutieren sein wird. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung
zeigten Bereitschaft an einem gemeinsamen (!) Text zu diesem Thema zu arbeiten.
(Er wird selbstverständlich auch an dieser Stelle veröffentlicht.)
M.I.
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