Mittwoch, 4. Juli 2012

Ein Interview mit den beiden Organisatorinnen


Sechs Autoren stehen dieses Jahr auf dem Programm. Wie habt ihr zu dieser Auswahl gefunden?

Berit Paschen: Wir haben Augen und Ohren nach interessanten neuen Texten offen gehalten und Dramaturgen, Verlage, Regisseure und Autoren gebeten, uns Stücke zu empfehlen. Dann haben wir gelesen, was das Zeug hält und eine Vorauswahl von 15 Texten getroffen. Um größere Objektivität zu erlangen und weitere Stimmen zu hören, haben wir Christa Hohmann von den dg:möglichmachern und den Kulturredakteur Falk Schreiber gebeten, mit uns eine abwechslungsreiche Auswahl zu treffen.   

Könnt ihr etwas über die diesjährigen Stücke verraten? Gibt es einen gewissen Trend, Stil und Themen betreffend? Oder unterscheiden sich die Stücke sehr voneinander?

B: Alle sechs Texte behandeln starke Themen, welche gegenwärtige gesellschaftliche Dimensionen abbilden, karikieren, befragen und erweitern. Die Figuren verhandeln die Gegensätze von Realität und Virtualität, Innen und Außen, Abhängigkeit und Unabhängigkeit, politische Relevanz, individuelle Freiheit, Selbstverwirklichung und das Streben nach Glück. Jeder Text hat seine spezifische Erzählform und setzt sich mit dieser selbst auseinander. Vielschichtigkeit, Originalität, Humor, kritisches Denken und eine große Liebe zur Figur, kennzeichnen die ausgewählten Texte.

Anne Rietschel: Wir wollten aber bewusst ein breites Spektrum an Themen und Textformen auswählen, auch so kam die Auswahl zu Stande. Das heißt, wir hoffen, dass wir möglichst verschiedene Stücke gefunden haben, um nicht nur über die immer gleichen Themen zu diskutieren, sondern möglichst unterschiedliche Entwicklungen und Standpunkte beobachten zu können.

Beim diesjährigen Berliner Stückemarkt wurde zum ersten Mal eine Pojektidee ausgezeichnet. Wie reagiert ihr auf den veränderte Rolle des Theatertextes und des Autors im Gegenwartstheater?

B: Wir begrüßen die Erweiterung des Autorenbegriffs und setzten darum auf die enge Zusammenarbeit mit Dramaturgen, um bei der Autorenlounge den Autoren einen eigenen Zugriff auf die Präsentation ihrer Texte zu ermöglichen. Im letzten Jahr hat sich diese Idee in der abwechslungsreichen Umsetzung der Texte bestätigt.

A: Wir interessieren uns ja nicht allein für den Text, sondern auch für den Blickwinkel der Autor_innen. Es sind in diesem Jahr Autor_innen eingeladen, die neben der schriftstellerischen Arbeit in unterschiedlichsten Disziplinen tätig sind: eine Autorin inszeniert selbst, eine andere ist Musikerin und Songwriterin, einer ist Videokünstler usw. – und da die Autor_innen in den szenischen Präsentationen selbst „Regie“ führen, hoffen wir natürlich, dass ihre unterschiedlichen Sichtweisen auch zu sehen und zu spüren sind. Sie sind ja so gesehen nicht nur die Autoren des Textes, sondern auch des Abends, der dem Publikum präsentiert wird.
Generell interessiert uns die Frage nach dieser sich immer wieder verändernden Rolle des Autors und Textes sehr, und wir hoffen, auch durch die vielen jungen Dramaturg_innen, die wir zu Besuch haben, unterschiedlichste Verständnisse von Text und Autorschaft diskutieren können.

Dramaturgen werden die szenischen Lesungen einrichten. Wieso Dramaturgen, und keine Regisseure?

A: Da bei uns Text und Autoren im Mittelpunkt stehen sollen, ist es uns wichtig, nicht noch eine weitere Instanz zwischen Text und szenische Präsentation zu stellen. Ein Regieeingriff bedeutet immer noch eine zusätzliche Sichtweise und Interpretation – die wir in diesem Forum gern den Autor_innen selbst überlassen wollen. Im letzten Jahr haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Autor_innen sehr dankbar sind für die Möglichkeit, einmal selbst ihre Fragen an den Text in einer Lesung zu bearbeiten.

Wie wird die konkrete Arbeit zwischen Dramaturgen und Autoren aussehen? Inwieweit werden szenische Übersetzungsmöglichkeiten diskutiert, ausprobiert und beeinflussen rückwirkend die Arbeit der Autoren?

B: Im letzten Jahr haben wir das Format Autorenlounge überdacht und um einen Diskussionstag, in diesem Jahr angeleitet von dem erfahrenen Dramaturgen und Regisseur Erik Altorfer, ergänzt. In der Gruppe werden die Texte diskutiert und in den anschließenden Tagen mit einem per Zufallsprinzip ausgelostem Dramaturgen und Schauspielern „auf die Probe gestellt“.  Die Autorenlounge begreift sich als Werkstatt zum Ausprobieren, vor allem zum Experimentieren der Autoren mit ihrem eigenen Text und ihrer Rolle als Autor. 

A: Die Autoren haben uns vorher Fragen zu ihren Texten geschickt, die sie gern in der großen Runde mit Dramaturg_innen und Autorenkolleg_innen diskutieren wollen – d.h. wir hoffen natürlich, dass wir im ganz konkreten Arbeitsprozess ein paar nützliche Hinweise erarbeiten können, die beim weiteren Schreiben behilflich sein können – sowohl in der Diskussion als auch in der szenischen Präsentation, in der ein Ausprobieren ja oft Lücken und noch zu bearbeitende Baustellen sichtbar macht oder man durch die verschiedenen Sichtweisen hoffentlich noch einmal zu ganz neuen Einsichten kommen kann.

Was erhofft ihr euch vom Festival? Für das Publikum? Für die Teilnehmer? Für euch?

B: Im letzten Jahr wurde die Autorenlounge, vorher ein Randprogrammpunkt innerhalb des Kaltstart Festivals, zum eigenständigen Festival ausgebaut und hat ein eigenes Tretboot innerhalb der Kaltstart-Flotte bekommen. Wir werten das positive Feedback vom letzten Jahr als Zeichen, eine Lücke in der Hamburger Autorenförderung gefunden zu haben und bei den jungen Autor_innen und den Dramaturg_innen unterschiedlichster Häuser einen Nerv getroffen zu haben. Diese Zusammenarbeit wollen wir weiter fördern. Für das Publikum erhoffen wir uns zwei anregende Theaterabende in zweierlei Hinsicht. Zum einen wünschen wir uns, dass die ausgewählten Texte beim Publikum das gleiche Interesse auslösen, wie bei uns und zum anderen erhoffen wir uns einen Dialog mit dem Publikum über die gegenwärtige Theaterpraxis und den Umgang mit Text und Theatralität. Für die Teilnehmer_innen erhoffen wir uns einen interessanten und fruchtbaren Austausch innerhalb der Autorenlounge und mit dem Publikum. Wir wollen eine nachhaltige Vernetzung unterstützen, das passiert in den Diskussionen und der Zusammenarbeit genauso wie bei den gemeinsamen Besuchen des Kaltstart Programms, beim Bier danach oder beim Frühstück im Hotel. Wir verstehen uns vor allem als Teil eines Festivals und das bedeutet auch immer, gemeinsam Spaß haben und sich Zeit nehmen sich am gemeinsamen Interesse und Anliegen abzuarbeiten und gegenseitig zu bereichern.
       
A: Dem bleibt nichts hinzuzufügen.


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